Das Agrirama in Tifton, GA

Die Fahrt war heute so kurz wie schon lange nicht: Rein in die Stadt, einkaufen und wieder raus:


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Ziel dieses Tages war das Agrirama, offiziell das Museum für Landwirtschaft, inoffizielle eine lebende Farm. In Wirklichkeit ist es eher etwas dazwischen, aber das werden wir noch sehen.

Das Agrirama hat ein eigenes Welcome-Center, das auch gleich das offizielle Peanut-Museum ist. Vom Peanut-Museum sollte man sich nicht allzu viel erwarten, aber einen Sprung hinein kann man beim Eintrittspreis von GRATIS machen; man bekommt sogar noch ein Päckchen Erdnüsse geschenkt.

Herz dieses Museums sind zwei 5 Minuten Filme, die einem über die Geschichte und den Stellenwert der Erdnuß aufklärt. Angefangen hat alles mit einem Desaster: Ein blöder Rüsselkäfer aus Texas hat die gesamte Baumwollernte vernichtet. Ein Bauer hat dann auf Erdnüsse gesetzt und war der einzige, der seine Rechnungen bezahlen konnte. Damit ging es auch den anderen ein, daß Erdnüsse was bringen. Der Weg der Erdnuß von Südamerika über Europa zurück nach Nordamerika war ja auch nicht der geradeste.

Die Erdnuß wächst btw wie der Name vermuten läßt unter der Erde. Die Pflanze oben ist ein sehr unscheinbares Bodengewächs. Zum Ernten muß man daher zunächst die Pflanze wenden, 1-3 Tage trocknen lassen und erst dann kann man an die Nüsse heran. Das war früher viel Handarbeit, dann wurden die verschiedensten Geräte erfunden; die kann man in der angrenzenden Scheune sehen:

Das Agrirama selbst kostet einen moderaten Eintrittspreis. Damit hat man Zutritt zum überdachten Museum und zum Freigelände, wo man die verschiedensten Farmarten besichtigen kann. Theoretisch laufen überall in entsprechende Tracht gekleidete Guides herum, die erklären was man so sieht. Für uns gut und schlecht war, daß an dem Tag mehrere Schulen zu Gast waren. Daher hatten bis 14 Uhr alle Guides alle Hände voll zu tun, um die Kids zu beschäftigen. Wir wurden daher in der ersten Zeit nicht all zu oft angequatscht.

Offenbar ist es dort eine Ehre Guide zu sein, denn nahezu alle sind steinalt und werden wohl eher freiwillig dort arbeiten. So eine nette alte Dame hat mich im Indoor-Museum erwischt und unbarmherzig durch die Ausstellung geschleift. Nach der Runde konnte ich dann die Fotos machen. Beginnen wir mit einem Dampftraktor:

Und gleich im Anschluß der erste mit normalem Motor:

Geld war damals nicht wirklich wichtig. Als Bauer hatte man fast alle Sachen selbst oder machte sie sich selbst. Nur wenige Dinge wurden von fahrenden Händlern gebracht. Da tauschte man den Gegenstand gegen Ware wie Eier, Hühner, … So war ein fahrender Händler unterwegs:

In der Gegend von Georgia hat man auch Tabak angebaut. Tabak muß nach der Ernte getrocknet werden. Dazu muß man eine Scheune heizen (das wußte ich schon einmal nicht). Es war sehr wichtig wie man die Scheune aufheizte, wie lange es wie warm war und wie man sie wieder abkühlte. Das beeinflußte die Qualität erheblich und konnte auch eine Ernte unbrauchbar machen. Darum war das Thermometer das wichtigste Instrument:

So ein Bauernhaus war im Durchschnitt eher klein. Das Vorführhaus war für die Eltern und 4 bis 5 Kinder:

Im Freibereich kann man verschiedene Bereiche sehen. Eine alte Farm, eine moderne alte Farm, erste technische Entwicklungen und dazugehörige Gebäude. Alle Gebäude wurden aus Georgia zusammengetragen und auf dem Gelände aufgestellt. Beginnen wir mit dem Haus des Doktors, im Hintergrund sieht man das Tifton-Haus, das einzige Haus, das schon immer hier stand:

Das ultimative Farmgerät steht irgendwie nicht zugehörig in der Gegend rum, ist aber immer gut zu sehen:

Die alte Farm ist schon sehr alt und zerlegt sich ganz offensichtlich. Da das Museum schon seit den 70er Jahren in Betrieb ist, aber nur von dem örtlichen College betrieben wird, fehlt das Geld für viele Reparaturen. Es finden sich daher auch nur eine Kuh und sehr wenige Schafe als passende Tiere. Die Gans ist eher freiwillig dort:

Der Tabak wird angepflanzt gezeigt (damit die Kinder gleich lernen was man so braucht), daneben ein selbststehender Zaun:

Im modernern Bereich sieht man z.B. ein Gericht. Keine Ahnung wer da wo auf welchem Sessel gesessen hat:

Oder wie wäre es mit einer Schule? Ich glaube, die Bänke sind falsch, denn wo haben die Schüler geschrieben? Ich dachte zunächst, das wäre das Gericht:

Im modernen Bereich haben wir dann auch die Kinder gefunden. In entsprechender Tracht gekleidet, durften sie sich in praktischen Dingen beweisen. Die beiden hier sägen einen Holzstamm ab. Der Opa der den Stamm durch Draufsitzen hält, hat dann auf mich eingeredet. Das war eine Herausforderung, ein sicher über 80jähriger ohne Zähne mit Südstaatenakzent. Wow!

Im vorigen Bild bemerkt man auch schon die Auswirkungen der Geldnot: Die Dächer sind billig mit Blech gedeckt und das paßt nicht so wirklich in die Zeit. Aber was Holzschindeln kosten…

Auch die moderne Technik der Eisenbahn ist zu sehen. Auf einem Rundkurs fährt dort die einzige Dampflock Georgias in regelmäßigen Zeitabständen: nämlich jeden Samstag. Da ich Freitags dort war konnte ich nicht fahren, ich habe aber die Sonderfahrt mit den Kindern gesehen. Hier der Bahnhof:

Weiters war eine Sägemüle zu sehen. Leider wurde aus Sicherheitsgründen der betrieb im Jänner vor einem Jahr eingestellt. Sie wollten es nicht mehr riskieren, den über 100 Jahre alten Dampfkessel hochzuheizen:

Die Mehl- und Griesmühle funktioniert jedoch noch prächtig. Die Mühlsteine sind 130 Jahre alt, laufen aber immer noch bestens. Den Mahlgrad kann man dort einstellen, indem man den Abstand der beiden Mühlsteine verändert. Faszinierend, wie einfach doch so manche Sachen sind. Die Bezahlung war auch früher sehr einfach: 1/8 des Mais wurde von der Mühle für die Mahltätigkeit einbehalten.

Interessant auch die Tischlerwerkstatt: Eine einzige Dampfmaschine hat alle Werkzeuge über Bänder und Wellen angetrieben. Zu besonderen Anlässen zeigen sie das angeblich noch vor:

Georgia hatte immer viel Wald. Darum war es auch für die Harz- und Terpentinherstellung bekannt. Ein ganzes Terpentarium (zum Trennen der Harzbestandteile) ist dort ausgestellt. Rechts die Hütte ist die zugehörige Faßherstellung. En Mann konnte damals bis zu 8 Fässer herstellen. Es wurde btw auch erklärt, warum Fässer nicht zylinderförmig, sondern bauchig sind: Wenn man so ein schweres Faß rollt, kann man durch den Bauch die Richtung ändern ohne das Faß heben zu müssen. AUch ist die Verladung mit zwei Stangen viel einfacher:

In der Druckerei sieht man eine Hebelpresse und eine der ersten automatischen Pressen. Die Werbezeitung wird noch heute auf dem alten Stück hergestellt:

Im modernen Farmhaus war schon ein wenig Platz für Luxus:

Auch der Ofen/Herd war schon sehr hübsch:

Die Einkaufsläden waren schon recht reich bestückt:

Das best erhaltenste Haus ist das Tifton-Haus. Mr. Tifton war der Obermachatschek in der Gegend, denn er hat den ganzen Grund besessen. Zunächst hat er ein riesiges Sägewerk bauen lassen und den Wald der ganzen Gegend roden lassen. Das bringt Geld:

So viel Geld, daß man sich ein für damalige Verhältnisse Luxushaus bauen läßt. Zum Beispiel hat man alles aus erlesensten Hölzern und mit Seidentapeten gebaut:

Das Geschirr war aus feinstem Porzellan:

Und auch große Räume waren voll tapeziert:

Es gab 5 Schlafzimmer, da die Frau des Hauses 14 Geschwister hatte und alle immer gerne gesehen hat. Das braucht natürlich noch mehr Geld. Wie der Wald langsam weg war, hat Mr Tifton Wissenschafter eingestellt, die den Boden untersuchten und die besten Ackerbaumöglichkeiten entwickelten. Es entstand daraus langsam eine Stadt, denn die Leute des Sägewerks, die Wissenschafter und Bauern brauchten Infrastruktur. Die bot Mr Tifton, in dem er eine Bank gründete, indem er Läden eröffnete usw. Alles gehörte ihm. So wurde er immer reicher (und die Stadt heißt heute noch Tifton).

Die Drogerie (auch seine) war noch schauerlich wenig bestückt:

Selbst der Laden für Futtermittel und Saatgut gehörte ihm, gleich neben dem Einkaufsladen:

Am Nachmittag habe ich jedenfalls die Bekanntschaft von einigen älteren Herrn gemacht, denn wenn keine Kinder zur Ablenkung da sind, müssen wieder die Touristen informiert werden. Und wenn jemand von Österreich kommt, gibt es viel zu reden. Das klärt auch gleich die Frage, ob es eine lebende Farm ist oder nicht: Es gibt alte Damen und Herren die gerne über die Zeit reden, es wird aber nicht wirklich gefarmt und gelebt. Damit war das Museum ziemlich tagfüllend und der Besuch in Tiftons Altstadt wurde abgesagt.

Am nächsten Tag ging es dann nach Florida.

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